Prävalenz:     

  • seltene Erkrankung, primäre NNRI: 93- 140 pro Million Einwohner, sekundäre NNRI: 150-280 pro Million Einwohner  


Einteilung

    • primäre NNRI: Zerstörung der NNR als Organ = Morbus Addison
    • sekundäre NNRI: Störung der hypophysären Steuerungszentren, ACTH
    • tertiäre NNRI: Störung der hypothalamischen Steuerungszentren, CRH


    Pathophysiologie:
     

      Funktionsverlust der Nebennierenrinde durch verscheidenden Ursachen (s.u.)
      • primäre NNRI: fast immer alle drei Zonen betroffen (Mineralkortikoid, Androgen- und Glukokortikoid-Mangel). Oft assoziiert mit verminderter Adrenalin–Synthese im Nebennierenmark
      • sekundäre NNRI: meist nur CRH-ACTH-System betroffen, Renin-Angiotensin-System unbeeinträchtigt. Oft sind aber in der Hypophyse andere hormonalen Achsen betroffen, sodass der Kortikoid-Mangel oft mit Androgen-Mangel, sekundärer Hypothyreose, Wachstumshormon-Mangel oder einem hypogonadalen Hypogonadismus assoziiert ist.

      Ursachen:


      Primäre NNR-Insuffizienz:

      Chronische Entwicklung: 

      • 80-90 % Autoimmunadrenalitis (isoliert oder im Rahmen einer polyglandulären Insuffizienz Typ 1= APS-1 oder Typ 2=APS-2)
        • APS-1: monogenetisch, Mutation im AIRE-1- Gen
        • APS-2  (Schmidt-Syndrom: primäre NNRI, Hashimoto-Thyreoditis, Morbus Basedow, Diabetes Typ 1, Vitiligo, chronisch–atrophische Gastritis, primäre Ovarialinsuffizienz, Assoziation mit HLA DR3 und DR4)
      • Folge einer Infektion (Cryptokokkus, Histoplasma, Pneumocystsis, Toxoplasmose, HIV )
      • Infiltration durch Metastasen, Amyloidose, Lymphome, Sarkoidose 
      • genetische Erkrankungen (x-chromosomal rezessiv = Adrenoleukodystrophie oder Adrenomyeloneuropathie mit Akkumulation von überlangkettigen gesättigten Fettsäuren, Manifestation 11.- 15. Lebensjahr)
      Akuter Beginn:
      • NNR-Blutung, adrenaler Infarkt, Thrombose, septischer Schock (z.B. Waterhouse-Friderichsen-Syndrom), Anti-Phospholipid-Syndrom

      Sekundäre NNR-Insuffizienz:  

      Chronisch:

      • Tumoren , Kranyopharyngeome, Empty sella Syndrom
      Akut:
      • Sheenan-Syndrom (postpartale Hypophysen-Nekrose), Schädel-Hirn-Trauma

      Tertiäre NNR-Insuffizienz:  

      Am häufigsten:

      • iatrogene NNRI (Pharmakotherapie mit synthetischen Steroiden. Bis zu 2 % der Bevölkerung nimmt regelmäßig Glukokortikoid-Präparate ein. Durch die Therapie kommt es zu einer Suppression der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse. Prinzipiell kann sich die Suppression bereits nach wenigen Tagen unter hochdosierter Therapie (20-30 mg Prednisolonäquivalent ) einstellen. Die Dauer der Insuffizienz ist individuell unterschiedlich von Tagen bis zu über ein Jahr)).

      Symptome:

      • weitgehend unspezifisch

      Im Vordergrund stehen: 

      • Müdigkeit, Leistungsknick, Schwäche, verminderter Appetit mit Gewichtsverlust (90-100%) als Folge des Glukokortikoidmangels 
      • Dehydratation, Hypotonie mit orthostatischer Dysregulation (80%), Tachykardie, Hyperkaliämie, Hyponatriämie  (70-80% der Fälle) als Folge des Aldosteronmangels. Salzhunger (15%) ist ein spezifisches Zeichen.
      • Verlust von Axel- und Schambehaarung, Libido-und Potenzverlust, Depression, trockene  Haut als Folge des Androgenmangels

      Spezifisches Symptom (nur bei der primären NNR-Insuffizienz!):  

      Hyperpigmentierung der Haut  (90%), Handlinien, Mamillen oder Narben (überschießende Gegenregulation zum Kortisol-Mangel mit gesteigerter Synthese von Melanin).

      Bei der sekundären NNR-Insuffizienz erscheint die Haut eher blass und pigmentlos! (ACTH-Mangel und Mangel des Melanozytenstimulierenden Hormons)


      Labor

      Basislabordiagnostik: morgendliche Blutentnahme  am nüchternen Patienten (7.00- 9.00 Uhr, stressfrei):

      • ACTH ↑ (EDTA-Blut) und Cortisol ↓ (Serum)
      • Bei Verdacht auf primäre NNRI zusätzlich Aldosteron (EDTA-Blut) ↓ , Renin (gegenregulatorisch erhöht↑),  Kalium ↑ , Natrium↓, Osmolalität im Serum und Urin, 
      • DHEA-S ↓

      Erweiterte Diagnostik:  

      • ACTH-Test, CRH-Test, Insulin-Hypoglykämie-Test
      • Antikörper gegen 21-Hydroxylase
      • weitere hypophysäre Hormone: LH, FSH, Prolaktin, STH, TSH,  Vasopressin (EDTA-Blut) 
      • bei Jungen und Männern bis zum 50. Lebensjahr mit prim. NNRI: überlangkettige Fettsäuren zum Ausschluss Adrenoleukodystrophie/Adrenomyeloneuropathie

      Interpretation:

       

      Cortisol :

      ACTH:

      Hinweis auf:

      Weitere Diagnostik:

      < 3,6 µg/dl

      ACTH ↑

      primäre NNR-Insuffizienz

       

      < 3,6 µg/dl

      ACTH ↓ oder ↔

      sekundäre  bzw.

      tertiäre NNR-Insuffizienz

      CRH-Test

      3,6 – 18 µg/dl

       

      Graubereich

      ACTH-Kurztest

      CRH-Test

      Insulin-Hypoglykämie-Test

      >18 µg/dl

       

      Ausschluss NNR-Insuffizienz

       

       

      Therapie:  

      Bei hochgradigem Verdacht einer NNR-Insuffizienz sollte eine Hydrokortison-Substitution begonnen werden! Weitere Diagnostik nach Stabilisierung des Patienten!

      • Hydrocortison in zwei oder drei Tagesdosis, um die zirkadiane Rhythmik nachzuahmen
      • bei Mineralkortikoid-Mangel: Fludrokortison (9α-Fluor-Kortisol)
      • bei Androgen-Mangel kann eine Substitution mit DHEA-S die Lebensqualität insb. bei Frauen deutlich verbessern (nicht zugelassen, nur auf Privatrezept)
      • Schulungsmaßnahmen und schriftliche Information zur Dosisanpassung 


      NB:  Notfallausweis erstellen! 

      Bei dunkelhäutigen Rassen auf Hyperpigmentierung der Mundschleimhaut achten!

      In der Schwangerschaft und unter Ovulationshemmer können die basalen und stimulierten Werte erhöht durch die Vermehrung des Cortisol-bindendes Globulins sein und damit eine NNRI kaschieren.


        Literatur:

        B. Manfras et al.: Praxis-Handbuch Endokrinologie, 2015, ISBN: 978-3-95466-005-6

        H. Lehnert: Rationelle Diagnostik und Therapie in Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel  2015, ISBN: 978-3-13-129554-5

        L. Thomas: Labor und Diagnose, 8 Auflage, 2012 ISBN: 978-3-9805215-8-1