Definitionen:
Primäre Sterilität: keine Schwangerschaft nach 1-2 Jahren trotz regelmäßigem Geschlechtsverkehr
Sekundäre Sterilität: die Frau war bereits schwanger
Ursachen:
Die Ursache liegt in 30 % der Fälle bei der Frau, in 30 % beim Mann, in 30% sind beide betroffen und bei 10 % lässt sich keine Ursache finden.
Ätiologie:
- bei der Frau:
- Hormonstörungen (30 %), Pathologie der Eileiter (20 %), Endometriose (20%),
- selten: Uterus, Zervix- oder Vaginalerkrankungen
- beim Mann: Einschränkungen der Spermiogenese aufgrund hormoneller oder nichthormoneller Ursache (Hodenhochstand, retrograde Ejakulation, Umwelteinflüsse, Wärme)
Diagnostik:
- Anamnese
- Übergewicht führt oft zu Hyperandrogenämie und Hyperinsulinämie
- Untergewicht , Hochleistungssport bedingt ebenfalls Zyklusstörungen, Amenorrhoe
- Krankheiten (Schilddrüse, Diabetes, Herz-Kreislauf)
- „Zeugungsstress“, Partnerschaftsprobleme
- gyn. Untersuchung (Sonographie?, PCO? Endometriale Hyperplasie?, Portiozytologie, Kolpitis?)
- Zyklusbeurteilung
- Beurteilung des Zervikalschleims (Ihnsler –Score)
- Gestagentest (Dihydrosteron 20 mg/Tag, 10 Tage mit Entzugsblutung)
- Hormonanalyse (s. Labor)
- Spermiogramm
Labor:
- Basisdiagnostik in der Follikelphase (2-5 Zyklustag, morgens): LH, FSH, TSH, Prolaktin, Östradiol, Testosteron/SHBG, DHEAS, Androstendion, Androstandiol-Glucuronid und 17-OH-Progesteron
- Ab dem 8 Zyklustag alle zwei Tage: LH und Östradiol zur Feststellung einer Ovulation
Bei einem LH-Anstieg > 10 IU/ml und Östradiol > 180 pg/ml ist von einem Eisprung nach 24-36-Stunden auszugehen. Progesteron steigt erst etwa 2-3 Tage nach Ovulation über 4 ng/ml an.
- Am 21. und 25 Zyklustag bzw. 6 und 9 Tage nach Ovulation: Östradiol und Progesteron zum Ausschluss einer Corpus-lutem-Insuffizienz (Grenzwerte: Östradiol 100 pg/ml, Progesteron: 8 ng/ml)
- Bei V.a. AGS (andrenogenitales Syndrom): ACTH-Test, genetische Untersuchung
- Anti-Müller-Hormon zur Überprüfung der ovariellen Reserve (Grenze 1 ng/ml)
- Chlamydien-PCR (10 ml Erststrahlurin vom ersten Morgenurin (bitte kein Mittelstrahlurin!)
Therapieoptionen (Auswahl):
- Optimierung des Zeitpunkts des Geschlechtsverkehr
- hypogonadotrope Amenorhoe: Gonadotropin bzw. pulsatile GnRH-Therapie
- hyperprolaktinämische Zyklusstörung: Dopaminantagonisten
(Kontrolle des Prolaktins nach 2 Wochen, danach aller 3 Monate)
- Schilddrüsenfunktionsstörungen (Hypothyreose: Jod , L-Thyroxin, Hyperthyreose: Thyreostatika)
- Hyperandrogenämie: Ovulationshemmer, Glukokortikoidtherapie
(0,25- 0,5 mg Dexamethason, max. Wirkung nach 6-8 Wochen)
- Hyperinsulinämie/Insulinresistenz: Gewichtsreduktion, Steigerung der körperlichen Aktivität, Metformin
- Late-onset AGS: Untersuchungs des Partners auf 21-Hydroxylasedefekt.
(Bei Homozygotie der Frucht: intrauterine Glukokortikoidtherapie des Kindes!)
- Normogonadotrope Anovulation /Amenorrhoe: Clomiphen 50-100 mg/d, 5-9 Zyklustag
(Auslösung einer Ovulation in > 50 % der Fälle)
- Corpus-luteum-Insuffizienz: Progesteron vaginal, 1-2 Tage postovulatorisch
- In vitro-Fertilisation
- IUI = Intrauterine Insemination
- IVF = In-vitro-Fertilisation
- ICSI = Intrazytoplasmatische Spermieninjektion
Kosten für die Therapie: s. Gesundheitsmodernisierungsgesetz (2004)
NB: Ein regelmäßiger Zyklus schließt eine Anovulation oder Corpus-luteum-Insuffizienz nicht aus.
Zur Diagnose einer ovarbedingten Sterilität sind Untersuchungen über mind. 3 Zyklen nötig.
Ist die Frau über 35 Jahren und bestehen deutlich fertilitätseinschränkende Faktoren wie Tubenpathologie, sollte eine zügige Überweisung in ein Kinderwunschzentrum erfolgen.
Die Lebensdauer der Spermien nach Geschlechtsverkehr beträgt 3-4 Tage, die Eizelle ist wahrscheinlich nur 4-6 Stunden befruchtigsfähig.
Bei Geschlechtsverkehr am Tag der Ovulation ist die Schwangerschaftschance niedriger als bei Verkehr 1-2 Tage davor!
Literatur:
- Thöne, C, Wolff, M von, Diagnostik und Therapie der Sterilität in der Frauenarztpraxis, 2005, Gynäkologische Endokrinologie 3, 115-130
- Katzorke, Th. 2009, Wie schnell tickt die biologische Uhr?, Gynäkologie und Geburtshilfe 1-2
- Nawroth & Ziegler: Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel, 2001, ISBN: 3-540-64765-1
- Deckwart, V. et al., 2011, Bedeutung der Late-onset-Form des adrenogenitalen Syndroms in der Kinderwunschbehandlung, Gynäkologische Endokrinologie 9, 93-96
- L. Thomas: Labor und Diagnose, 8 Auflage, 2012 ISBN: 978-3-9805215-8-1
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