Die Einführung der neuen Glukoseabnahmesysteme der Firmen Sarstedt und Greiner erfolgte aufgrund der dringenden Aufforderung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) im Sommer 2014, nur geeignete Blutentnahmegefäße zu verwenden, die eine Verfälschung der Glukosekonzentration ausschließen. Die DDG hat sich eindeutig positioniert, dass bei Zeitverzögerung zwischen der Blutentnahme und der Messung im Labor, neben Natrium-Fluorid (NaF) im Versandgefäß auch Citrat/Citratpuffer enthalten sein soll, um die Glykolyse sofort zu hemmen (Syntax „soll“ entspricht in Leitlinien: starke Empfehlung mit Evidenzgrad A). Mit Zusatz nur von NaF als Enolase-Hemmer beginnt der Glykolyse-Stopp erst nach ca. 4 Stunden. In dieser Zeit kommt es zum Konzentrationsabfall von 4,5% in den ersten 2 Stunden und um 7 % nach 24 Stunden. Dies führt zu falsch niedrigen Ergebnissen bei der Diabetes-Diagnostik. 

 

Auszug aus der Ärztezeitung, 25.08.2014: „Da ein erhöhter Blutzucker in der Schwangerschaft Mutter und Kind schadet, warnt die DDG vor der Verwendung von Blutentnahmeröhrchen, die allein Natrium-Fluorid enthalten. „Nach unserer Auffassung ist dies grob fahrlässig“ erklärt Dr. Helmut Kleinwechter aus Kiel in einer DDG-Mitteilung.

 

Auszug aus der Stellungnahme der DDG, 04.08.2014 (unterschrieben von PD Dr. Erhard Siegel, Prof. Dr. Lutz Heinemann, Dr. Helmut Kleinwechter): „Im Fokus dieser Stellungnahme steht zwar das o.g. präanalytische Problem beim GDM, die dargestellte Problematik ist aber bei der Diagnostik einer jeden Diabetesform zu berücksichtigen, soweit dabei venöse Plasmaglukosemessungen nach präanalytischer Glykolyse gemäß der entsprechenden DDG Leitlinie durchzuführen sind“.

„Für den Vollblutversand unter Zusatz von NaF und Citrat sind daher keine eigenen Referenzbereiche zu erstellen, da es sich um keine neue Methodik handelt, sondern um eine Vorbeugung des Glukose-Konzentrationsabfalls in vitro durch optimierte Glykolyse-Hemmung nach bester externer  Evidenz.“

 

Fazit: Das von Ihnen beobachtete Phänomen von „höheren Glukosewerte nach der Einführung der „Neuen Blutentnahmeröhrchen“ ist korrekt. Es werden dabei aber keine falsch hohen Werte gemessen, sondern die tatsächlich im Blut Ihrer Patienten vorherrschenden Konzentrationen gefunden (richtige Werte). Durch die nahezu vollständige Glykolysehemmung in den neuen Röhrchen (Abfall der Konzentration um nur ca.1 % in den ersten 24 Stunden) ist eine Diagnosestellung deutlich früher möglich, als bisher. Die Vorstadien des Diabetes wie „abnorme Nüchernglukose“ oder „gestörte Glukosetoleranz“ sind durch bewusste Lebensstiländerung und Ernährungstherapie zu beeinflussen. Eine postprandiale Hyperglykämie beginnt lange vor dem Auftreten des Typ 2 Diabetes mellitus durch den allmählichen Rückgang der Insulinwirkung sowie durch die Verschlechterung der Betazellfunktion und damit auch der verminderten Insulinsekretion.

Wie ist mit den erhöhten Glukose-Werte zu verfahren?

Das diagnostische Flussschema des Diabetes mellitus aus den aktuellen Praxisleitlinien der DDG ist als Anhang zu finden. Auf Wunsch schicken wir Ihnen die komplette Leitlinie auch zu.  Unter „Diagnosekriterien“ ist der Hinweis zu finden, dass Fluorid als Glykolysehemmer alleine nicht ausreicht. 

 

Bei Screening-Untersuchungen:

  1. Die Referenzbereiche für die Nüchternglukose gelten nur bei tatsächlichem Nüchternstatus des Patienten, d.h. nach einer Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz ohne Kalorienzufuhr von mindestens 8 Stunden. (Cave: Patienten nach Nachtschicht, Rauchen, Tee oder Kaffee vor der Blutentnahme!).  Die Durchführung eines oGTT nach WHO erfordert sogar  eine 10-16 Stunden Nahrungs- (und Alkohol)-karenz.

  2. Wenn dieser Status (Punkt 1) nicht zutrifft, sollte auf dem Anforderungsschein Glukose postprandial angestrichen werden.
    Die Referenzbereiche für Nüchternglukose (< 5,6 mmol/l bzw. 101 mg/dl) und Glukose postprandial (< 7,8 mmol/l bzw. 141 mg/dl) unterscheiden sich um ganze 2,2 mmol/l (40 mg/dl)!

  3. Ein gleichzeitig bestimmtes normales HbA1c zeigt, dass ein hoher Wert bei der Glukose-Einzelmessung nicht repräsentativ für den gesamten beobachteten Zeitraum ist.  Der HbA1c-Wert widerspiegelt  die mittlere Blutglukose  in den vergangenen 8-12 Wochen.
    Ein erhöhtes HbA1c weist auf einen Diabetes mellitus oder eine schlechte Einstellung des Blutzuckers hin. Dabei sind folgende Einschränkungen zu beachten: Eine Verkürzung der Lebenszeit der Erythrozyten (z.B. bei  hämolytischer Anämie, akutem oder chronischem Blutverlust) führt zu falsch niedrigen HBA1c-Werten. Eine Zunahme der Lebenszeit (z.B. Eisen-, Vit.B12 – oder Folsäuremangel) verlängert den Kontakt des Hämoglobins mit der zirkulierenden Glukose und führt zu falsch hohem HbA1c.

  4. Bei klinischen Zeichen einer Insulinresistenz, z.B. beim Metabolischen Syndrom, PCO-Syndrom oder Acanthosis nigricans, wird die Berechnung des HOMA-Index empfohlen. Dafür ist die gleichzeitige Messung von Insulin und Glukose nach Einhaltung einer Nüchternperiode von ca. 12 Stunden erforderlich.

 

Bei Symptomen eines Diabetes:

Bei Symptomen eines Diabetes (d.h. Gewichtsverlust, Polyurie, Polydipsie und/oder erhöhtes Diabetes-Risiko) kann gleich die Messung von HbA1c vorgenommen werden.  Abhängig vom Ergebnis wären danach entweder eine Nüchternglukose und/oder ein oGTT durchzuführen. Bei Werten von HbA1C  ≥ 6,5 % (48 mmol/mol) kann die Diagnose eines Diabetes mellitus gestellt werden. 

 

Anhang:
Diagnostisches Flussschema (Auszug aus der aktuellen Praxisleitlinie)

Literatur:
http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Leitlinien/Praxisleitlinien/2013/DuS_S2-13_Praxisempfehlungen_Def_Klass_und_Diagnostik_DM_S104-S107.pdf
http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/stellungnahmen/stellungnahmen.html

       

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